Page 12 - Konsens 2015
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AUS DER PRESSE
dium auf die Immunologie stieß, fing sie Feuer. „Das Immunsystem ist eines der fas- zinierendsten Systeme, das wir haben“, sagt sie. Grippe-Geplagte nähern sich diesem Faszinosum nur selten intellektuell. Darauf stößt man erst, wenn man Riemer so mun-
ter darüber plaudern hört, wie gekonnt der Körper zwischen „selbst“ und „fremd“ un- terscheidet und wie zielgerichtet er nur die fremden Erreger abtötet. Und dann erst die Allergien: Eigentlich unfassbar, was passiert, wenn sich auf einmal das Immunsystem gegen harmlose Substanzen richtet. „Wenn man das Immunsystem richtig gut versteht und weiß, wie man es lenken kann“, argu- mentiert Angelika Riemer, „müsste es doch auch möglich sein, es therapeutisch zur Krebsbekämpfung einzusetzen.“
Das klingt einfach, der Weg dorthin ist es aber nicht. Riemer ist schon die eine oder andere Extraschleife gegangen. Deshalb hat sie nicht nur einen, sondern zwei Doktor- titel. Der Grund dafür war pragmatischer Natur: Einen naturwissenschaftlichen Dok- tor hat sie noch draufgesetzt, als sie merk- te, dass sie vor allem auf internationalen Kongressen mit einem medizinischen Dok- tortitel als Forscherin nicht ernst genom- men wurde.
Während ihres Studiums ging Riemer nach Melbourne und Bristol, denn wer in der Wissenschaft Fuß fassen will, muss Eng-
lisch können. 2008 folgte ein zweijähriger Forschungsaufenthalt an der amerikani- schen Eliteuniversität Harvard. „Es heißt ja immer, dass die eigentliche Forschung in Amerika gemacht wird“, sagt sie heute. „Da wollte ich mir anschauen, ob das wirklich stimmt.“ Ihr Fazit: „In Harvard kochen sie auch nur mit Wasser. Aber sie haben viel mehr davon.“ Viel wichtiger war ihr, dass sie an der Elitehochschule an der Ostküste das Idol ihrer Forschungsrichtung, den Nobel- preisträger zur Hausen, persönlich kennen- lernte. Das ist ihre ganz eigene „Hollywood- Geschichte“, wie sie es nennt. Beim ersten Treffen hat sie ihm nur kurz die Hand ge- schüttelt, beim zweiten Mal hatten die bei- den schon ein Fachgespräch. Dann lud er sie zu einem Symposion nach Heidelberg ein und bot ihr eine Stelle am Krebsforschungs- zentrum als Nachwuchsteamleiterin an. Seit 2010 ist sie dort, und das soll erst ein- mal so bleiben. Gerade kam die gute Nach- richt: Die Finanzierung ihrer Arbeit für die nächsten fünf Jahre ist gesichert.
Corinna Budras ■
Demontage der
Wissenschaft –
Wie der akademische Nach- wuchs in Deutschland von den Hochschulen vertrieben wird
Von Christian Dries, Uni Freiburg (er- schienen in der Süddeutschen Zeitung vom 5. Mai 2015)
Ausschnitt: „Die deutsche Hoch- schule ist ein Sanierungsfall. Sie geht kaputt an der perfiden Logik des so- genannten Wissenschaftszeitvertragsge- setzes (WissZeitVG) aus dem Jahr 2007 – eines der handwerklich schlechtesten, zudem frauen- und familienfeindlichs- ten Machwerke in der bundesdeutschen Geschichte. Wer es nach insgesamt zwölf Jahren Promotions- und Habilitations- phase nicht auf die rettende Professur, sprich eine entfristete Dauerstelle an Uni- versität oder Fachhochschule geschafft hat, der landet im beruflichen Aus. Das kommt einer Selbstmontage des Wissen- schaftsstandortes Deutschland gleich, es ist ein Programm zum systematischen Abbau wissenschaftlicher Exzellenz.“
Weiter: „Die Folgen der Vernachlässi- gung des akademischen Mittelbaus sind schon jetzt gravierend. Daran wird auch die Absicht von Bundesbildungsministe- rin Johanna Wanka wenig ändern, gegen das Unwesen der Einjahresverträge vor- zugehen und das WissZeitVG zu über- arbeiten. Besser wäre es, völlig neue Ideen für attraktive und vor allem plan- bare Mittelbaukarrieren auch jenseits der Professur zu entwickeln und das ganze Gesetz zu verschrotten.“
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KONSENS 2015
SZ vom 24. April 2015:
Bachelor-Studium – geliefert wie bestellt
Roland Preuss schreibt da: „Nun sind also die Bachelor dran. Nachdem Wirtschaftsvertreter in den vergangenen Jahren schon ausführlich über die mutmaß- liche Unfähigkeit vieler Ausbildungsplatz- bewerber lamentiert haben, taugen jetzt auch viele Absolventen der Hochschulen angeblich nichts mehr. Nur knapp die Hälf- te der Unternehmen einer großen DIHK- Umfrage sagt jedenfalls, die Bachelor hät- ten ihre Erwartungen erfüllt. Das sind so wenige wie nie.“ Und weiter erinnert er: „Die Debatte um Studienreformen und Be- rufstauglichkeit nimmt damit eine ironi- sche Wende. Jahrelang haben Bildungspo- litiker im Einklang mit Wirtschaftsvertre- tern die neuen Abschlüsse Bachelor und Master vorangetrieben, mit all ihren Konse-
quenzen: Das Studium wurde verschulter, zeitaufwendiger und schneller, die Absol- venten jünger.“
Und er fragt sich: „...wie realistisch die Erwartungen der Unternehmen sind. Man kann von einem Bachelor nicht das Glei- che erwarten wie früher von einem Diplom- oder Magisterabsolventen, die länger und oft auch fachlich breiter studiert haben. Man kann es um so weniger erwarten, als viele Bachelor-Absolventen schlechter be- zahlt werden als die Akademiker mit den alten Abschlüssen. Hinzu kommt die per- sönliche Reife: Mit Anfang 20 ist man ein anderer Kandidat als mit 30. Nun merken manche: wir brauchen Persönlichkeiten, nicht nur Absolventen.“
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