Page 16 - Konsens 2015
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FOKUS
wohner. Die Frauen trauen sich kaum auf die Straße, um ihre Lebensmittelgutschei- ne einzulösen – denn da werden sie als Frei- wild gesehen und ständig von Männern an- gesprochen. Mal geht es um eine schnelle Heirat, die schon zitierte Kurzzeit-Ehe, mal direkt um Sex.
Auch ihre Vermieter haben den „Markt“ erkannt. Sie bieten mietfreies Wohnen – gegen Leistung. In Form des Körpers der Frauen und jungen Mädchen.
Aber noch einmal Jordanien: Das aber jetzt, weil die meisten der Flüchtlinge Frau- en und Kinder sind, auch zu einem belieb- ten Ziel aller Männer der arabischen Regi- on geworden ist, die auf Brautschau sind, um es mal freundlich zu formulieren.
Denn: Syrerinnen gelten dort als schön und anmutig. Dazu seien sie fleißig – und gehorsam. „Nimm Dir eine Frau aus der Levante und Du wirst ein gutes Leben haben“ lautet eine arabische Redewendung.
So machen sich die Ehe-Männer von be- reits ein, zwei Frauen auf die Suche nach der vom Koran erlaubten dritten oder vier- ten. Preis? Das spiele keine Rolle. Die sind im Keller. „Danke Baschar al-Assad, dass Du uns so viele billige Schönheiten
schickst“, sagen diese Araber. Auch in In- ternet-Foren läuft der Verkaufs-Markt. Sau- dis rasen mit ihren SUVs durch die Wüste, es lohne sich, erzählen sie dann zuhause.
Sie sind aus auf Jungfrauen. Je jünger, je besser. Die Männer aus Dubai zahlen bis zu 8000 Dinar – das sind 10 000 Euro! Und so manche geflüchtete Witwe gibt in finan- zieller Not ihre hübsche junge Tochter dafür her – weil dann die anderen in der Rest- Familie wieder ein paar Monate weiter- leben können.
Es sind nur wenige Frauen und Mädchen, die sich aus solchen Situationen heraus al- leine auf eine weitere Flucht wagen. Gar bis nach Europa. Ohne männlichen Schutz ist das ein lebensgefährliches Unterfangen. Wenn es starke und mutige Frauen bis auf die unsicheren Boote schaffen, dann sind sie nach der Fahrt über das Mittelmeer in Lampedusa sehr oft – schwanger.
Warum? Ganz einfach: Weil Frauen auf ihrer oft monatelangen Flucht einen Be- schützer brauchen – und dieser Schutz muss bezahlt werden. Mit dem einzigen, was eine Frau dann noch hat – mit ihrem Körper. Die „Beschützer“ machen sich spä- testens in Italien auf und davon ... zurück
bleibt die Schwangere, vielleicht schon mit dem Baby im Arm. Hunderte solcher jungen Mütter haben sie gesehen, die Mitarbeiter der italienischen Operation „Mare Nos- trum“, die im Oktober 2013 zur Rettung der Flüchtlinge gegründet worden war.
Erst seit Hunderttausende von Flüchtlin- gen an der ungarischen Grenze scheiter- ten, erst als täglich zigtausende am Münch- ner Hauptbahnhof oder in Hamburg an- kamen, erst seitdem geht es uns wieder „unter die Haut“.
Die Politiker reagieren, die Zivilgesell- schaft in Deutschland handelt, hilft und macht, was eigentlich Aufgabe der Politik wäre – immerhin! Wir können nur hoffen und beten, dass alles gelingen möge: Die Registrierung und Verteilung in Europa. Die Integration der Kriegsflüchtlinge. Das Wohl- wollen der Menschen in diesem funktio- nierenden, wohlhabenden Deutschland.
Noch einmal Hannah Arendt im Jahre 1951: „...es war kein Raumproblem. Es war eine Frage der politischen Verteilung“.
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für eine Provinzzeitung in Brest arbeiten und kehrte erst 2011 nach Minsk zurück. Dort schrieb sie für die Zeitung 'Sel'skaja Gazeta'.
„Das ist ganz groß, diesen Preis zu be- kommen. Es ist eine Ehre, in einer Reihe mit großen Schriftstellern wie Boris Paster- nak zu stehen“, Swetlana Alexijewitsch kurz nach der Bekanntgabe am Telefon.
Literaturnobelpreis 2015 an Swetlana Alexijewitsch
Der Literaturnobelpreis geht in diesem Jahr an die Weißrussin Swetlana Ale- xijewitsch. Sie erhält den Preis für ihr „viel- stimmiges Werk, das dem Leiden und dem Mut in unserer Zeit ein Denkmal setzt“.
Die 67-jährige Schriftstellerin und gelern- te Journalistin Swetlana Alexijewitsch galt schon im Jahr 2014 als Favoritin für den Nobelpreis. In diesem Jahr hat sie ihn be- kommen für ihr Werk, das die Lebenswelt der Menschen in ihrer Heimat, der Ukrai- ne und Russland, nachzeichnet.
Nach einem Journalistikstudium an der Universität Minsk (1967 – 1972) arbeite- te die Tochter eines weißrussischen Vaters und einer ukrainischen Mutter zunächst als Journalistin und Lehrerin. Aufgrund ihrer oppositionellen Ansichten musste sie
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