Page 34 - Konsens 2015
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DAB-AKTIV
ist sie mit vielen Hindernissen verbunden. Kinder werden als Risikofaktor für eine ver- lässliche Arbeitsleistung angesehen, und dieses Risiko trägt immer noch weitgehend die Frau. Das gilt auch dann, wenn der Mann bereit ist, sich an den familiären Las- ten zu beteiligen2.
Gutes Beispiel: Die Mosers
Allerdings gibt es gerade in der Spitzenfor- schung Zeichen für einen Sinneswandel. Ein Beispiel dafür ist das Forscherehepaar Edvard und Maybritt Moser, die 2014 ge- meinsam den Nobelpreis für Medizin be- kamen. Der deutschstämmige Forscher ist mit einer Norwegerin verheiratet. Den größ- ten Teil ihres gemeinsamen Forscherlebens verbrachten sie in Norwegen. Skandina- vien ist für uns ein Vorbild für Gleichstel- lung. Als 1879 Ibsens Stück „Nora – oder ein Puppenheim“ in Kopenhagen uraufge- führt wurde, waren Frauen in Norwegen genauso wenig gleichberechtigt wie in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Seitdem wurde aber die Gleich- stellung von Frauen in den skandinavischen Ländern viel stärker vorangetrieben als bei uns. Daher ist es vielleicht kein Zufall, dass die doppelte Karriere gerade in diesem Land verwirklicht wurde.
Der Einstellung, dass Frauen in der Wis- senschaft nichts zu suchen haben, bin ich begegnet, als ich 1968 mein Medizinstu- dium beginnen wollte. In einem Auswahl-
gespräch musste ich meine Motivation und meine Befähigung darlegen. Der Professor sagte tiefernst zu mir: „Die Medizin ist kein Zuckerschlecken. Und vielen Frauen fällt es dann plötzlich ein, zu heiraten...“ Es ist ihm nicht gelungen, mich von dem be- gehrten Studienplatz für Medizin abzuhal- ten. Aber ich wundere mich heute, dass ich diese Bemerkung nicht als Diskriminierung erkannt und dagegen aufbegehrt habe. Es fehlten das gesellschaftliche Bewusstsein und die Solidarität. Erst heute beginnt man, Medizinstudenten zu schulen, damit sie sich nicht vorschnell einem ökonomischen oder gesellschaftlichen Druck beugen.3
Inzwischen erlangen Frauen die Zulas- sung zum Studium, häufig auf Grund bes- serer Abiturnoten, problemlos. Laut Statis- tik schließen sie ihr Studium auch erfolg- reich ab. Der Knick im Lebenslauf hat sich nach hinten verlagert, nämlich zur Geburt des ersten Kindes. Das belegt eindrucksvoll die Allensbach-Studie „Weichenstellungen für die Aufgabenteilung in Familie und Beruf, Juli 2015“4. Bei dem Einschnitt in die Karriere wirken verschiedene Faktoren zusammen: Die emotionale Nähe zu dem Kind, das organisatorische Problem der Betreuung, finanzielle Überlegungen, die es nahe legen, dass der Vater als der besser Verdienende der Erwerbsarbeit nachgeht und die Sorge, im Berufsleben die Anfor- derungen nicht erfüllen zu können und als unzuverlässig zu gelten.
Schwangerschaft, Elternzeit und beruf- licher Wiedereinstieg sind mögliche Bruch-
stellen in einer Karriere, daher muss man sich besonders auf diese Phasen konzen- trieren.
Ist die Spannung zwischen Beruf und Fa- milie nicht zu lösen, sind es die Frauen, die sich aus dem Berufsleben zurückziehen, oder aber es kommt gar nicht zu dem ers- ten und damit auch nicht zu weiteren Kin- dern. Diversität, die als ein wichtiger Fak- tor für den Erfolg in der Wissenschaft gilt 5, kann es bei dieser Entwicklung nicht geben. Der Gesellschaft gehen entweder Kinder oder Wissenschaftlerinnen verloren. Das veranlasste die Nobelpreisträgerin Christia- ne Nüsslein-Vollhard zur Gründung der nach ihr benannten Stiftung. In ihr werden begabte Wissenschaftlerinnen genau in die- ser Situation durch eine Haushaltshilfe oder zusätzliche Kinderbetreuung unterstützt und damit in ihrer Karriere gehalten.
Der Kampf um die Vereinbarkeit spielt sich in verschiedenen Lebensbereichen ab, und jeder ist gesondert zu betrachten:
• Universitäten und Forschungsinstitute
als Arbeitsplatz
• Partnerschaft
• Familienkonzept
• Wahrnehmung in Gesellschaft u. Politik
Universitäten als Arbeitsplatz für junge Wissenschaftler
Die Arbeit in der Universität und an wis- senschaftlichen Einrichtungen ist zunächst eine Arbeit wie jede andere. Es gibt feste
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KONSENS 2015


































































































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