Page 35 - Konsens 2015
P. 35
DAB-AKTIV
Arbeitszeiten, auf die man sich einrichten kann. In vielen Bereichen ist die zeitliche Flexibilität im Tages- und Wochenablauf sogar größer als z. B. im Gesundheitswe- sen und in der Wirtschaft, da nicht Patien- ten versorgt oder Kunden bedient werden müssen. Unregelmäßigkeiten im Familien- leben, wie z. B. die Erkrankung eines Kin- des können leichter aufgefangen werden.
Um allerdings voranzukommen, ist es auch nötig, außerhalb der Arbeitszeit prä- sent zu sein, bei Veranstaltungen und Kon- gressen. Das ist für eine Frau mit Familie schon schwieriger.
Auf der Ebene der Betreuung und der Flexibilität der Arbeit bieten viele Univer- sitäten und Max-Planck-Institute gute Be- dingungen. Die Tatsache, dass inzwischen viele Universitäten familienzertifiziert sind, zeigt, dass Familienorientierung im Wett- bewerb und in der Außendarstellung ein Kriterium ist. Allerdings ist das Audit noch keine Garantie dafür, dass die Vereinbar- keit auch wirklich möglich ist. Oft greifen Regelungen, die unter der Hand getroffen werden. Auch die persönliche Abhängig- keit der Promovenden von dem Doktorva- ter/Doktormutter verträgt sich oft nicht mit der verlässlichen Planung von Famili- en- und Arbeitszeit, auf die eine Familie in besonderem Maße angewiesen ist.
Immer noch werden Mütter diskriminiert
Was soll man von dem Rat eines Professors an eine junge Wissenschaftlerin halten, der ihr empfahl, bei einer Bewerbung gar nicht zu erwähnen, dass sie ein Kind habe. Stu- dien zeigen, dass berufstätige Mütter viel- fältig diskriminiert werden.6 So werden ihnen nach der Rückkehr aus der Eltern- zeit weniger anspruchsvolle Aufgaben zu- gewiesen und sie werden nicht mehr für Führungsaufgaben vorbereitet. Es ist anzu- nehmen, dass das auch in der Wissenschaft nicht anders ist.
Auch wenn es gelingt, die täglichen Ar- beitsabläufe zu organisieren, so bleibt das Problem der meistens zeitlich sehr kurz be-
fristeten, geradezu prekären Arbeitsverhält- nisse. Die Befristung von Verträgen auf ein Jahr oder weniger verträgt sich mit einer Familienplanung schlecht. Dazu kommt, dass für weitere Karriereschritte ein Wech- sel an eine andere Universität nötig ist. Wenn diese Situation beide Elternteile gleichzeitig betrifft, wird die familiäre Stabilität noch weiter gefährdet.
Die Novellierung des Wissenschaftszeit- vertragsgesetzes soll hier eine Verbesserung bringen. Im Augenblick liegt der Referen- tenentwurf vor, der vorsieht, dass die Be- fristungen nicht kürzer sind, als es auf Grund des Qualifizierungszieles oder des Projektinhaltes erforderlich ist. Das hat auch der Deutsche Akademikerinnenbund in sei- ner Stellungnahme gefordert.
Aus Sicht des Deutschen Akademikerin- nenbundes muss aber noch mehr gesche- hen. Bisher gibt es die Möglichkeit einer Fristverlängerung des Vertrages bei der Be- treuung eines Kindes. Die Möglichkeit allein reicht nicht aus. Nur wenn es einen Rechts- anspruch gibt, sind Eltern, die diese Rege- lung in Anspruch nehmen wollen, sicher, dass ihnen das nicht zum beruflichen Nach- teil gereicht, so wie heute der Mutterschutz von keinem Arbeitgeber mehr in Frage gestellt wird. Der Deutsche Akademikerin- nenbund hat daher bei der Stellungnahme zum Referentenentwurf auch diese Forde- rung erhoben.
Unterhalb der gesetzlichen Regelungen spielt es eine Rolle, mit welchen Personen bestimmte Funktionen besetzt werden. Eine besondere Aufgabe haben hierbei die Gleichstellungsbeauftragten. Das ursprüng- liche Anliegen von Gleichstellung war, da- rüber zu wachen, dass Frauen die gleichen Karrierechancen haben wie Männer. Zuge- spitzt gesagt: Dass Frauen ohne Kinder we- nigstens dieselben Chancen haben wie Männer mit Kindern. Heute muss darüber hinaus die Familie bedacht werden, wobei der Familienstatus dem Mann in gleicher Weise zugerechnet werden muss wie der Frau. Familie darf kein Karrierehindernis sein, weder für die Frau noch für den Mann. Analog zu GG Art.3.2 müsste man formu-
lieren: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Müttern und Vätern und wirkt auf die Be- seitigung bestehender Nachteile hin.
Die Familienfreundlichkeit des Arbeits- platzes in der Wissenschaft hängt aber auch von der Einstellung der Professorinnen und Professoren ab, deshalb sollte man Stellen- besetzungen auch unter diesem Aspekt prü- fen. Frauen mit Familie, die Karriere in der Wissenschaft gemacht haben, bringen in die- ser Hinsicht die nötigen Kompetenzen mit.
Doppelte Karriere – Standard in der Wissenschaft?
Die eben genannten Probleme wären keine, wenn man einem alten Familienkonzept folgte: Der Mann macht Karriere, die Frau bleibt zuhause oder richtet ihre Berufstätig- keit so ein, dass keine Betreuungskonflikte entstehen. Diese Kombination gibt es auch vielfach, und sie ist zugegebenermaßen all- tagstauglicher als die doppelte Karriere.
Die Auffassung über das Zusammenwir- ken von Mann und Frau in Familie und Beruf hat sich seit Beginn der siebziger Jahre, also in einem Zeitraum von rund 40 Jahren, kontinuierlich geändert. Zur Ver- einfachung kann man drei Stadien unter- scheiden:
1. Der Mann arbeitet und verdient das Geld, die Frau bleibt zuhause und küm- mert sich um Haushalt und Familie.
2. Der Mann bleibt der Hauptverdiener, aber die Frau arbeitet ebenfalls, soweit es die Umstände zulassen.
3. Mann und Frau arbeiten beide in ihrem Beruf und teilen sich die Familienarbeit, wobei die Aufteilung über die gesamte Lebenszeit gedacht werden muss.
Erst das letztgenannte Modell macht eine doppelte Karriere möglich. In den öffentli- chen Verlautbarungen ist dieses Modell ak- zeptiert, aber die Umsetzung scheitert noch in vielen Punkten. Die Allensbach-Studie zeigt, dass viele Väter bereit sind, Erzie- hungszeiten zu nehmen, dieses aber mit Rücksicht auf den Arbeitgeber nicht tun7. Die Männer verdienen in der Regel mehr,
KONSENS 2015
35