Page 44 - Konsens 2015
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Liebe Kolleginnen,
Religionsfreiheit ja! Aber: Hier besteht doch die Gefahr, dass sowohl Schüle- rinnen als auch Lehrerinnen bedrängt wer- den, ein Kopftuch zu tragen, die es bisher nicht getan hätten. In manchen Gemein- den und deren Schulen wird es dadurch neue Enklaven geben.
Zur Frage der Nonnentracht: Diese ist doch wohl beschränkt oder zu beschrän- ken auf die christliche Konfessionsschule – oder auf die Lehrerin oder den Priester, der nur zum Religionsunterricht kommt.
In meiner Schule, der Hildegardis-Schu- le, damals und jetzt eine staatliche Schule, hingen, als ich ca. 1970 an die Schule kam, Kruzifixe in den Klassenzimmern – die sind schon lange alle entfernt.
In Bochum gibt es ein evangelisches Kran- kenhaus (Augusta) – dort hat voriges Jahr eine muslimische Krankenschwester ver- sucht, sich in das Arbeitsverhältnis zurück- zuklagen (sie hatte einige Jahre Erziehungs- pause gemacht). Vor der Familienpause hatte sie ohne Kopftuch in der Klinik gear- beitet, jetzt wollte sie mit Kopftuch zurück- kehren. In erster Instanz wurde der Klinik recht gegeben, das Verfahren geht aber wohl weiter.
Ich meine, wir sollten Stellung nehmen – auf die Gefahr der Bedrängnis liberaler Muslime hinweisen. Und gespannt kann man dann sein, wie auf eine solche Stel- lungnahme reagiert wird und von wem!!
Die Berliner Zeitung berichtet im März 2015: Lehrer kritisieren Beschluss zu Kopftüchern
Herzliche Grüße! Helene Haun
Mit Ausnahme der Gewerkschaft Er- ziehung und Wissenschaft (GEW) haben Lehrerverbände und Schulleiter mit Ratlosigkeit oder Bedenken auf den Kopf- tuchbeschluss des Bundesverfassungsge- richts reagiert. Das Karlsruher Gericht hatte entschieden, dass das Tragen einer religiös konnotierten Bekleidung nicht generell die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schüler verletze. Das Gericht sah auch keinen Verstoß gegen die Verpflichtung zur weltanschaulichen Neutralität des Staates. „Denn mit dem Tragen des Kopftuches durch einzelne Pädagoginnen ist – anders als dies beim staatlich verantworteten Kreuz oder Kruzifix im Schulzimmer der Fall ist – keine Identifizierung des Staates mit einem bestimmten Glauben verbunden“, heißt es in dem Beschluss. Anders verhielte es sich nur dann, wenn das äußere Erscheinungs- bild der Lehrer zu einer konkreten Gefähr- dung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität führe.
Diese Einschränkung bewegt Schulleiter und Schulpraktiker, die sich nun fragen, wie sie nachweisen sollen, dass der Schul- frieden gestört ist, der Lehrerin also zuge- mutet werden kann, „vom religiösen Be- deckungsgebot Abstand zu nehmen“, wie das Gericht formuliert. Ist das schon dann der Fall, wenn der Personalrat Bedenken äußert, weil eine Lehrerin mit Kopftuch ins Kollegium kommen soll, oder erst dann, wenn sich Eltern beschweren und sich wei- gern, ihr Kind von einer Lehrerin mit Kopf-
tuch oder anderer religiöser Bekleidung un- terrichten zu lassen? Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, hat im Gespräch mit dieser Zeitung kriti- siert, dass den Schulen bei der Entschei- dung die Beweislast aufgebürdet wird. Als Schulleiter rechnet er vor, dass eine musli- mische Lehrerin mit Kopftuch etwa in den Fächern Deutsch und Geschichte an die 200 Schüler unterrichten würde. Wenn es in jeder Klasse einige wenige Eltern gäbe, die protestierten, müssten die betreffenden Schüler in andere Klassen versetzt werden, was zu enormen schulorganisatorischen Problemen führte, so Kraus. Er befürchtet überdies, dass das für alle öffentlich Be- diensteten geltende politische und weltan- schauliche Neutralitätsgebot ausgehebelt werden könnte.
Auch der Deutsche Philologenverband meint, dass die Streitigkeiten in den Schu- len zunehmen werden. Der Vorsitzende Heinz-Peter Meidinger befürchtet, dass durch diesen Beschluss „neue Konflikte in die Schulen hineingetragen werden, weil es den Schutz des elterlichen Erziehungs- rechts aufweicht und die negative Glau- bensfreiheit der Schüler einschränkt. Wir werden deshalb wohl in Zukunft mehr Rechtsstreitigkeiten als bisher haben“, sagte Meidinger. Er hält eine Zurückhaltung bei der Demonstration religiöser Haltungen durch Lehrer wegen des besonderen Ab- hängigkeitsverhältnisses zwischen Schü- lern und Lehrern für geboten.
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KONSENS 2015
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FORUM
Kopftuchdiskussion
DAB-Schatzmeisterin a. D. Helene Haun schreibt an die Akademikerinnen:


































































































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